Die Jugendjahre

Oskar H. Hagemann wurde am 12.10.1888 in Holoubkau in Böhmen (Tschechien) 63 km westsüdwestlich von Prag geboren. Im Alter von etwa vier Jahren verlor Oskar Hagemann durch eine nicht ausgeheilte Scharlachinfektion beinahe sein Gehör, taub auf dem rechten und schwerhörig auf dem linken Ohr, und war dadurch sehr eingeschränkt in seiner Kommunikation. Nach dem Tode des Vaters 1896 kehrte die Familie noch im selben Jahr wieder nach Lübeck zurück, wo  Hagemann das Gymnasium besucht hat. Wenige Jahre danach übersiedelte die Familie nach Baden-Baden, wo er nach weiterem Besuch des Gymnysiums Privatunterricht und, nachdem die Mutter die zeichnerische Anlage und Begabung des Jungen erkannt hatte, bei dem Graphiker und Maler  Yvo Puhonny ab 1901 grundlegenden Zeichen- und Malunterricht erhielt.

 

1906 schrieb sich Hagemann an der damals sehr angesehenen Kunstakademie in Karlsruhe als Kunstschüler zunächst bei dem Tiroler Schmid-Reutte ein, bei welchem er die ihn rasch fördernden Korrekturen erhielt. Die kurz darauf eintretende unheilbare Krankheit des geschätzten Lehrers Schmid-Reutte veranlasste 1907 den Wechsel in die Klasse von Walter Conz. Daneben besuchte er den Malunterricht bei Ludwig Wilhelm Plock (einem der älteren Trübner-Schüler), bei dem er die Ölmalerei gründlich erlernte, so dass er im Winter 1908 im Alter von zwanzig Jahren bei Wilhelm Trübner aufgrund seines besonderen Talents in die Meisterklasse aufgenommen wurde.

 

Die Lehrjahre bei Wilhelm Trübner

"Gemeinsam mit den älteren Weggenossen, Hermann Goebel und Arthur Grimm, lernte Oskar Hagemann das farbige Prinzip und die technische Vortragsweise des Pfälzers kennen und ihre Anwendung als raumbildnerische und dekorative Gestaltungskraft. Damals wurde streng nach der Natur gearbeitet und die Farben mit einer zeichnerischen Sicherheit hingestrichen, so dass die Formen sich klar und koloristisch natürlich bildeten. Es war die Zeit der letzten künstlerischen Umstellung Trübners, wo dessen Landschaften und Bildnisse jenen Einklang von Was und Wie in meisterlichen Werken neu bezeugt haben." (Fritz Wilkendorf) Bis 1912 - vier Jahre lang - arbeitete er bei Wilhelm Trübner und lernte an der vollen meisterlichen Breite des Lehrers.

 

Die eigene Entwicklung

Bereits 1911 noch bei Trübner beteiligte sich Oskar Hagemann in Baden-Baden - seiner Heimatstadt - an der Baden-Badener Kunstausstellung mit dem Bildnis der "Weinprobe", welches damals vom Wallraf-Richartz-Museum in Köln erworben wurde. Im gleichen Jahr wurde der "Raucher" im Glaspalast in München ausgestellt und erworben. Im gleichen Jahr portraitierte er den Schriftsteller und Übersetzer von Tugenjew Dr. Kurt Wildhagen wie auch den Arzt Dr. Groddeck aus Baden-Baden und seinen Onkel,. Excellenz und geheimer Rat, G.A. Hagemann. Nach den Jahren bei Trübner heiratete er die durch Hinterglasmalerei und durch Transparente und Glasgraphik hervorgetretene und vielbegabte Künstlerin Gertrud Stamm und lebte die folgenden Jahre im Schloß Augustusburg in Grötzingen neben dem Ehepaar Fikentscher, welches das Grötzinger Schloß gekauft hatte.

Im Jahr 1913 verlebte das Ehepaar einige Zeit in Gutach in einem Austraghaus, welches heute noch steht, und Hagemann malte dort  auf den Höfen ansässige einheimische: Bäuerinnen, Hirtenjungen und Hofbauern etc. Der Ausbruch des Krieges 1914 veranlaßte ihn, freiwillig trotz seiner Behinderung ein Jahr den Hilfsdienst in der Röntgenabteilung eines Reservelazaretts auszuüben. Danach wechselte er nach Berlin, kehrte aber enttäuscht 1916 mit seiner Frau wieder in die Gegenden am Oberrhein zurück aber auch mit der Genugtuung, dem Treiben der Hauptstadt entronnen zu sein. Das Paar ließ sich im Spessart auf dem in ländlicher Gegend gelegenen Schloß Sommerau (1916 - 1920) nieder, wo Hagemann eine fruchtbare künstlerische Schaffenszeit erleben konnte, die ihn über die Trübnerzeit hinausführte und zu einer ganzen Reihe interessanter Aufträge führte, darunter das Portrait des Essener Oberbürgermeisters Holle (1919?), das zu den Folgeaufträgen von von Hindenburg und Ludendorff im Jahre 1920 führte, die er für den Festsaal einer Essener Gesellschaft malte. Noch in dieser Zeit (1918) hat sich Fritz Max Cahen mit der Malerei Hagemanns beschäftigt und ihn als einen Maler gesehen, "der nicht mehr in der impressionistischen Auflösung der Erscheinung seine Aufgabe suchen will"(s. Schrifttum).

Seit dem Herbst 1920 lebte Hagemann wieder in Karlsruhe, wo ihm  neben vielen anderen Aufträgen aus der Gesellschaft, Kinderbildern und anderen Studien die Badischen Größen der jungen deutschen Republik Modell saßen, allen voran der erste badische Staatspräsident Anton Geiß. Aber auch aus Kunst und Musik hatte er viele Modelle, so den Dirigenten und Komponisten Arthur Kusterer (Was ihr wollt) 1921. Hagemann galt schon damals als der beste Portraitist Deutschlands. In diesen zwanziger Jahren portraitierte er Carl Duisberg und seinen Nachfolger Carl Krauch. Auch Carl von Weinberg von den Casella Werken in Frankfurt und Prof. Carl James Peter Gräbe haben ihm Modell gestanden.

Diese Karlsruher Zeit, die bis 1944 währte, war wohl die bisher für ihn fruchtbarste. Hier in Karlsruhe hatte er viele Freunde und Bekannte. Sein Kreis ging aber weit über Karlsruhe hinaus. So war er mit dem Hofjuwelier Louis Koch befreundet. Mit seiner Tochter, die in eine den Rothschilds verwandte Familie in Basel einheiratete, verband ihn zeitlebens eine Freundschaft, die erst mit ihrem Tode endete. Er leitete den Karlsruher Kunstverein und wurde als Juror geschätzt. Neben dem bereits genannten Staatspräsidenten Anton Geiß saßen ihm der Innenminister und spätere zweimalige Ministerpräsident Dr. Adam Remmele, der Arbeitsminister und spätere Staatsrat Leopold Rückert und der später von den Nazis ermordete Staatsrat Ludwig Marum, dann kamen eine lange Reihe von Künstlern und Wissenschaftlern zu ihm, Professor Dr. phil. Edmund Husserl (1927), den Historiker Prof. Dr. phil. Franz Bernhard G. Schnabel (1928, bay. Akademie der Wissenschaften), Professor Dr. med. Albert Fraenkel (1932), Professor Dr. phil. Willy Andreas (1933), in den Dreißigern und Anfang der vierziger die Schriftsteller und Dichter Hermann Eris Busse (1941), Heinrich Vierordt, Wilhelm von Scholz, August Heinrich ("Bellemer Heiner"), sowie die Maler und Bildhauer Ludwig Dill, Hermann Volz, Ernst Würtenberger und  Wilhelm Kollmar. Nicht zu vergessen Wilhelm Engelbert Oeftering (Engelbert Hegaur) und den Studentenpfarrer Prof. Ludwig Brecht.

1939 verstarb seine Frau nach schwerer Krankheit.

 

Die Kriegszeit und der Nationalsozialismus

In der Kriegszeit fanden viele Ausstellungen in Karlsruhe und Strasburg und auch in Nürnberg statt. Sein Verhältnis zur Nazidiktatur war im Grundsatz dadurch gekennzeichnet, dass er als Trübnerschüler und Impressionist als "Französling" gehänselt wurde und man ihm die Nähe zu den "Systemherren" verübelte. Wir wissen, wie verhasst französische Kultur den Nazis war. Dies betrifft aber auch, dass Hagemann den Staatsrat und Rerichstagsabgeordneten Ludwig Marum gemalt hatte, den die Nazis im Konzentrationslager Bruchsal später ermordet hatten. Darüber hinaus haben sie ihm sehr verübelt, dass er Marum gegen die Nazistimmen in den Künstlerverein aufgenommen hatte. Hagemann schrieb dazu an einen Freund: "Ich habe mich jahrelang meiner Haut zu wehren gehabt, weil ich Marum gemalt hatte und ihn gegen die Nazistimmen als Mitglied in den Künstlerverein aufgenommen habe."  Die Ambivalenz der Gesellschaft seines Umfeldes ergibt sich aus der Tatsache, dass diejenigen seiner Bekannten und Freunde, die Parteigänger der Nazis wurden, ihm dennoch die Treue hielten. Das Beispiel der Familie Moninger in Karlsruhe,  Freunde Hagemanns, führte durch die Heirat einer Tochter mit dem SS-General Sepp Dietrich (Leibstandarte Adolf Hitler) dazu, dass dieser schließlich zum Portrait saß. Das Urteil meines Vaters über ihn: "ein einfacher Schwarzwälder Bauernbub" - wie er wohl einige in der Gutacher Zeit gemalt hatte. Er hat diesen Auftrag, in den er hineingeschlittert war,  wohl nicht sehr gerne übernommen und ausgeführt, wie er auch Aufträgen auswich, wenn er sie nicht ablehnen konnte wie z.B. das Portrait des Karlsruher Oberbürgermeisters Dr. Oskar Hüssy, nachdem er zuvor auch den von den Nazis abgesetzten Vorgänger Oberbürgermeister Finter gemalt hatte. So malte er auch den streng deutschnationalen Ministerpräsidenten von Baden,. Repräsentant der Nazidiktatur, aber bekanntermaßen allseits beliebten Walter Köhler.

Schließlich war seine Gehörbehinderung Grund genug, sich aus der politischen Diskussion herauszuhalten.

 

1942 erhielt er einen Lehrauftrag an der Badischen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe über das Kultusministerium in Karlsruhe als Folge seiner Fähigkeiten als Kunst- und Portraitmaler, weshalb er - wie alle anderen Lehrer der Akademie - in die Reichskulturkammer eintreten und zwingend Parteimitglied werden musste. Seine Lehrtätigkeit dauerte vom 14. April 1942 bis zum 01. Oktober 1944, als auch wegen der Fliegerangriffe der Lehrbetrieb eingestellt worden war, worauf er sofort wieder aus der Reichskulturkammer und vor allem aus der Partei austrat, was ihm - wie er mir einmal sagte - sehr übel genommen worden war. 1943 heiratete er zum zweiten Mal. Zur Zeit der Aufgabe der Lehrtätkeit  an der Kunstschule siedelte er mit seiner Familie - der Sohn Reiner wurde in Baden-Baden geboren, wo die Eltern bei dem kantigen Freund und späteren Oberbürgermeister Dr. Schlapper zu Besuch waren - nach Konstanz-Egg am Bodensee bei der Insel Mainau über. Sein Atelier war durch die Bombenangriffe ausgebrannt, viele wertvolle Bilder und anderes mehr vernichtet.

 

Die Zeit unmittelbar nach dem Kriege

Die Entnazifizierung im Jahr 1948 verlief ohne Probleme. In keiner weiteren Organisation des Naziregimes war er Mitglied gewesen. Die Parteimitgliedschaft als Voraussetzung für seinen Lehrauftrag hatte er als reine Formalität betrachtet, man könnte sagen als "Accessoire" des Lehrauftrags. Aufgrund dieser Tatsachen wurde er von der Spruchkammer zwar als "Mitläufer" eingestuft aber mit keiner Sühnemaßnahme belegt. Die Beschaffung dieser Unterlagen aus Paris, die 2014 übermittelt worden waren, hatte über ein Jahr gedauert. Es gab aber in der ganzen Zeit keine Akten dazu im Generallandesarchiv, was offenbar zu Spekulationen hinsichtlich der Parteimitgliedschaft geführt haben muss. Ein Archivar sagte mir dazu, die Franzosen hätten vor allem die Akten von solchen Deutschen mitgenommen, die aufgrund ihrer Parteitätigkeit mit Gefängnisstrafen belegt worden waren. Das war bei Hagemann nun überhaupt nicht der Fall gewesen und es wird wohl heute nicht mehr ermittelbar sein, warum die Französische Regierung seine Akte nach Paris überführt hatte. Denkbar wäre dies allenfalls aus einem Schutzgedanken heraus zu verstehen, den Zugriff auf diese Akten zu erschweren, weil man auch von französischer Seite her wusste, dass Hagemann nie Nazi gewesen war. Dagegen stand jedoch die bekannte Zwangsmitgliedschaft wegen des Lehrauftrags.

Die Parteimitgliedschaft aus allen oben dargelegten Gründen hat ihm nach Kriegsende sehr geschadet, weil für die moderne Avantgarde die Parteimitgliedschaft geradezu eine Versuchung war, Hagemann in die rechte Ecke zu stellen und als Nazi zu verunglimpfen. Entsprechende Versuche fanden noch gegen Ende der siebziger Jahre statt und entsprechende Schriftstücke sind noch vorhanden. Außer zu Prof. Haupt dem Rektor der Kunstschule über das Kriegsende hinweg, zu dem er noch längere Zeit eine lose Beziehung pflegte, hatte er zeit seines Lebens keine Verbindung zur Nachfolgeorganisation der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe mehr, deren Lehre er nun nichts mehr abgewinnen konnte und die er nicht mehr als Kunst betrachtete.

Nachkriegszeit

Besonders zur Nachkriegszeit ist zu ergänzen, dass sich die Lage für die traditionelle Malerei und andere Künste durch die staatliche Bevorzugung und Förderung der Moderne verschlechterte, was Hagemann, weil er nicht auf Staatsaufträge angewiesen war, wenig bedeutete. Die völlig fehlende Anerkennung, besser das Totschweigen durch die Modernisten verbunden mit der Tendenz aufgrund seiner Malweise nach "Rechts" verortet zu werden, wozu auch die Parteimitgliedschaft herhalten musste, war die eigentliche Zurücksetzung, die er nie verstanden hat, weil er auch die Moderne nie als "Kunst" billigte. Die sog. "zeitgenössische Kunst" war ein zu schillernder scharlataniegefärbter Begriff.  Die Summe der Erfahrungen aus der Nazizeit und der Nachkriegszeit kann man zugespitzt zusammenfassend als Leben zwischen Pest und Cholera bezeichnen.

 

Die Zeit ab den späten fünfziger Jahren

1952 zog er wieder nach Karlsruhe zurück, wo er sich in Durlach in der Machstrasse 1 ein Haus gebaut hatte. In diesem Jahr malte er Wilhelm Kaisen, den Bürgermeister der freien und Hansestadt Bremen. Sein Bild befindet sich im Besitz von Altbundespräsident Carl Carstens.  Diese Periode seines Lebens bis zu seinem Tode am 18. August 1984 war durch ein reiches Schaffen geprägt. Eine lange Reihe von Persönlichkeiten aus vielen Bereichen des Landes zeugen von seinem Schaffensdrang und der Anerkennung, die man ihm in der Bevölkerung verbreitet zollte:

So portraitierte er die Karlsruher Oberbürgermeister Dr. Hermann Veit, Friedrich Töpper und Günter Klotz, den Ehrenbürger der Stadt, den Bürgermeister von Nancy Dr. Weber, den Oberbürgermeister von Ettlingen und späteren Umweltminister BW Dr. Vetter.

Später, obschon er ihn schon länger kannte, Dr. Keidel (Präsident des Raiffeienverbandes, Oberbürgermeister von Freiburg).

 

Die Spitzen des Karlsruher Bundesgerichtshofs Dr. Heusinger und  

Dr. Wiechmann, die Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Martens und

Dr. Silberstein  kamen zu ihm.

1975 erhielt er für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz I. Klasse verliehen.

Die Professores Rudolf Plank und Backhaus der Universität Karlsruhe sowie den früheren Direktor der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Schloss Augustenburg, Prof. Dr. Ing Hans Riehm zählte er zu seinen Modellen.

Die Unternehmer Dr. Walter Witzenmann (Witzenmann-Gruppe), Dr. Wolfram Spitzner, Hans Gattenhof (Raab Karcher) und Dr. Betz (Direktor vormals Badische Bank) fanden sich ebenfalls bei ihm ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 







Malerklasse Plock: vlnr.: Haussamann, Segewitz, Kupferschmidt, Hagemann, Plock

 

 

 


 


das gemietete Austraghaus